Nachts
waren Tore zu
Ibersheimer "Ammenheisje" bot Fremden kostenfreie Unterkunft
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In der Killenfeldstraße in Ibersheim ist das "Ammenheisje" zu finden, das um 1850 denen Unterschlupf bot, die des Nachts vor verschlossenen Stadttoren standen. |
Für unsere Serie "Das vergessene Denkmal" haben wir uns in den Stadtteilen umgeschaut und die Denkmäler herausgepickt, die oft erst auf den zweiten Blick auffallen. In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem "Ammenheisje" oder auch "Armenhäuschen" am Südostrand von Ibersheim. In der Tat: Das Häuslein mit der Jahreszahl 1788 muss man schon suchen. Denn es steht keineswegs an belebter Straße im Ortskernbereich, sondern eher versteckt in der Killenfeldstraße 9, dort, wo einst das rheinseitige Tor der Dorfmauer stand und wo etwas weiter östlich der Hochwasserdamm verläuft. DenkMal Auf der östlichen Langseite des Häuschens befindet sich neben der Eingangstür nur ein Doppelfenster. Vom Flur mit Küche führt eine Treppe zum Spitzboden, der früher auch als Wohnraum diente. Der Wohnraum und die Küche im Erdgeschoss sind als Heimatmuseum eingerichtet. Eine Inschrift sagt etwas über die ehemalige Funktion des im Gemeindebesitz befindlichen Häuschens aus. Sie lautet: "Noch 1850 waren nachts die Tore zu. Klopfte ein Fremder an, so kam er ohne Geld wohl versorgt im Ammenhäuschen gut unter." Was war der Grund für diese Funktion des kleinen Gebäudes? Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges wurden fleißige Hände gebraucht. So erlaubte der Kurfürst von der Pfalz, Karl Ludwig, einer Gruppe von Mennoniten, sich auf dem Ibersheimer Hof niederzulassen. Die Einwanderer aus der Schweiz hatten einen schweren Stand: Sie hatten nicht nur das verwilderte, sumpfige Land urbar zu machen, sondern auch die nur sehr eingeschränkte Duldung ihres Glaubens zu bewältigen. Andersgläubigen war es untersagt, auf dem Hof zu leben. Sogar die Übernachtung von Fremden war nicht erlaubt. So lag es nahe, das "Armenhäuschen" am Dorfeingang zu errichten, wo immer öfter Besuch ins Dorf eintraf und abends der Weg ins Nachbardorf schwer und gefährlich war. Diesen Besuchern wurde es nach dem Schließen der Haupttore zu der ummauerten Dorflage gestattet, im Armenhäuschen zu übernachten. So erklärt es sich auch, dass der östliche Eingang zu dem Häuschen in der Außenfront der Dorfmauer lag. Die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung "Ammenheisje" resultiert aus der Tatsache, dass es auch der Hebamme als Übernachtungsmöglichkeit diente, wenn sie nach nächtlichem Einsatz in Ibersheim den beschwerlichen Fußweg nach Hamm nicht mehr auf sich nehmen konnte. Später be-wohnte eine kinderreiche Familie das Häuslein mit angebautem Schweine-, Gänse- und Ziegenstall. Darauf verweisen die verschiedenen Darstellungen auf der Nordseite des angrenzenden kleinen Stalles. Besonders dekorativ und witzig ist ein geschnitzter Eckpfosten, der ein Männlein mit entblößtem Hinterteil zeigt, das seine Notdurft verrichtet: Es stellt den "Ibersheimer Geldschisser" dar, den der heimatbewusste Fritz Kehr schnitzte. Sein Wunsch ist es gewesen, dass Ibersheim und seinen Bewohnern das Geld nie ausgehen möge. Fritz Kehr war es auch, der das schmucke Häuschen durch seine Renovierung und künstlerische Verschönerung vor dem Abriss bewahrte. |
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